Störfelder in der Zahnmedizin
Kieferostitis | FDOK | NICO | RANTES | Silent Inflammation | Testungen
Inhalt
1. Störfelddiagnostik der ganzheitlichen Zahnmedizin
- 1.1. Einleitung
- 1.2. Verdachtsfall: Unverträglichkeit Zahnmaterial
- 1.3. Lymphozytentransformationstests (LTT)
- 1.4. Verdachtsfall: Implantat-Unverträglichkeit – Titanstimulationstest
- 1.5. Verdachtsfall: Genetische Neigung zu Entzündungen – Zytokin-Polymorphismus
- 1.6. Verdachtsfall: Schwermetallbelastung durch Zahnersatz oder Zahnmaterial – Multielementanalyse (MEA)
- 1.7. Verdachtsfall: toxische Belastung durch wurzelgefüllte oder tote Zähne – Orotox-Test
- 1.8. Mercaptan/Thioether
- 1.9. Verdachtsfall: Mitochondropathie, oxidativer und nitrosativer Stress – ATP, Nitrotyrosin, MDA-LDL
- 1.10. Verdachtsfall: Parodontitis – aMMP8 (Gewebe-abbauende Matrixmetalloproteinase 8)
- 1.11. MBL (Mannose bindendes Lektin), IgA, Phagozytosekapazität
- 1.12. Markerkeime
- 1.13. Verdachtsfall: Silent inflammation
2. Entzündungen, silent inflammation, NICO des Kiefers
- 2.1. Definitionen und Grundlagen: Was ist eine FDOK?
- 2.2. Diagnose
- 2.3. RANTES (Regulated upon Activation, Normal T-cell Expressed, and Secreted/Regulierte und normale T-Zellen, die exprimiert und entfernt werden)
- 2.4. Zusammenhang von RANTES/CCL5 und Insulin
1. Störfelddiagnostik der ganzheitlichen Zahnmedizin
1.1. Einleitung
Die ganzheitliche Zahnmedizin ermöglicht die beste medizinische Versorgung, da der Mundraum nicht als isoliertes Organ betrachtet wird. Durch die Behandlung des menschlichen Körpers als Gesamtsystem werden tieferliegende Zusammenhänge aufgedeckt und die Ursache vorher unerklärlicher Beschwerden kann ermittelt werden [4].
Chronisch entzündliche Erkrankungen und chronische Schmerzsyndrome werden in Industrieländern immer häufiger. Grund für diese Beschwerden können häufig eingebrachte Fremdkörper, wie Implantate, oder eine andauernde Bakterienbelastung sein [1].
Chronische Entzündungen beruhen dabei meist auf einer gestörten Immuntoleranz, bei der das Immunsystem nicht mehr angemessen auf exogene Faktoren reagiert. Dies äußert sich in einer andauernden Überreaktion des Immunsystem auf oft harmlose Triggerfaktoren. Dies ist besonders in der Zahnmedizin von hoher Relevanz, da Fremdmaterialien dauerhaft in den Körper des Patienten eingebracht werden und dort jederzeit einwirken [2].
Diagnose von Störfeldern
Die Störfelddiagnostik befasst sich mit der Identifikation dieser chronischen Entzündungsherde im Körper [4]. Ohne Behandlung können vorhandene Störfelder zu systemischen Erkrankungen leiten [1] und damit zu unerklärlichen Symptomen und Erkrankungen im gesamten Körper führen. Die negativen Auswirkungen von Störfeldern betreffen jedoch nicht nur das Immunsystem und vegetative Nervensystem, sondern können sich auch auf die Psyche erstrecken [4]. Die Identifikation von Störfeldern ist deshalb für die präventive Diagnostik von Bedeutung [2].
Die Feststellung chronisch-toxischer oder -allergisierender Störfelder spezielle Diagnoseverfahren [4]. Ob die Triggerfaktoren im Mund- oder Kieferbereich vorliegen, wird mit verschiedenen zahnärztlichen und röntgenologischen Untersuchungen und umfassende Labordiagnostik festgestellt [1]. Zu diesen entzündungsauslösenden Störfaktoren zählen beispielsweise Materialunverträglichkeiten oder Metallbelastungen [2].
1.2. Verdachtsfall: Unverträglichkeit Zahnmaterial
Ehemals Basophilen-Degranulationstest (BDT), jetzt BAT Basophilen-Aktivierungstest
Allergien des Typ-I Soforttyps sind IgE-vermittelt und können gegenüber acrylathaltigen Kompositmaterialien und anderen nicht-metallischen Werkstoffen auftreten. Symptome treten innerhalb weniger Stunden nach Einbringen des Zahnersatzmaterials lokal oder systemisch auf. Patienten mit anderen Soforttypallergien wie Heuschnupfen haben eine Prädisposition und sind häufiger von Acrylatallergien betroffen.
Der Basophilen-Degranulationstest (BDT) ist ein in-vitro Nachweis dieser Sensibilisierungen. Aus 2 ml EDTA-Blut oder Heparinblut werden Basophilen durch Dichtegradientenzentrifugation angereichert. Zu diesen wird IL-3 und das zu testende Allergen hinzugegeben und erneut zentrifugiert. Ist der Wert der Leukotrine im Überstand > 200 pg/ml liegt eine Sensibilisierung vor. Vorteil des Verfahrens ist die hohe Sensibilität auch bei nativen Materialien [2].
1.3. Lymphozytentransformationstests (LTT)
Zahnärztliche Werkstoffe wie Metalle und Kunststoffe können durch die Umwandlung körpereigener Eiweiße Allergene erzeugen. Bei den daraus resultierenden Sensibilisierungen handelt es sich um Typ-IV Allergien des Spättyps [2]. Die eingebrachten Zahn-Materialien können nicht langfristig vom Körper toleriert werden und sorgen damit für eine entsprechende Immunantwort. In seltenen Fällen können Sensibilisierung auch nach Einbringen des Zahnersatzes neu auftreten [3]. Werden die Allergene in den Körper aufgenommen, so erkennen und binden spezifische T-Lymphozyten die Antigen-präsentierenden Zellen und aktivieren damit das Immunsystem.
Durch Zellproliferation der Lymphozyten kommt es zu lokalen Entzündungen, während vor allem die Zytokinfreisetzung von IFN-γ systemische Entzündungen hervorruft. Mit Hilfe des Lymphozytentransformationstests (LTT) können die allergenspezifischen T-Lymphozyten, auch bekannt als Gedächtniszellen, nachgewiesen werden. Benötigt werden vom Patienten dafür 20 ml Heparin- und 5 ml Vollblut, um daraus die Lymphozyten zu gewinnen. Diese werden in drei parallelen Ansätzen den zu testenden Allergenen ausgesetzt und nach sechs Tagen anhand der DNA-Synthese quantifiziert. Diese induzierte Lymphozytenvermehrung wird in Relation zur spontanen Proliferation gesetzt, woraus anschließend der Stimulationsindex bestimmt wird.
Sensilibisierung
Mit dem LTT werden kurative oder präventive Fragestellungen beantwortet. Treten nach Einbringen von Zahnersatzmaterial Beschwerden auf, gibt dieser Test Ausschluss da drauf, ob das vorhandene Material ersetzt werden sollte. Genauso kann auch vor Einbringen des Materials auf eine Sensibilisierung getestet werden. Als Testmaterial können alle Materialien genutzt werden, die keinen zytotoxischen Effekt oder andere aktivierende Faktoren haben. Dementsprechend ist auch eine Testung von nativen und individuellen Materialien möglich.
Fällt der Test positiv aus, sollten zukünftig keine Materialien, die das Allergen enthalten, genutzt werden. Bei der kurativen Fragestellung sollte nicht ausschließlich der LTT beachtet werden. Wird die Entfernung des vorhandenen Zahnersatzmaterials in Erwähnung gezogen, so ist auch die klinische Symptomatik zu beachten und andere Expositionsquellen sollten primär eliminiert werden. Bei einem unklaren klinischen Befund kann können die T-Lymphozyten zusätzlich mittels Effektorzelltypisierung charakterisiert werden [2].
1.4. Verdachtsfall: Implantat-Unverträglichkeit – Titanstimulationstest
Üblicherweise bestehen Zahnimplantate aus Titan [3]. Allgemein gelten diese als immunologisch gut verträglich, doch bei manchen Patienten induzieren die Implantate Entzündungserscheinungen, die zu periimplantäre Mukositis / Ostitis und Periimplantitis führen können. Lösen sich durch Abrieb Metallspuren, bilden sich mikroskopische Titanoxidpartikel, die sich im umliegenden Gewebe ablagern [3]. Typ IV-Allergien auf Titan sind sehr selten, da Titanionen aufgrund ihrer hohen Sauerstoffaffinität nach ihrer Freisetzung unmittelbar Oxide bilden.
Oxide können die körpereigenen Proteine nicht binden oder modifizieren und haben somit keine allergene Wirkung [2]. Strenggenommen beruht eine Titanunverträglichkeit also nicht auf einer Allergie, sondern meist auf einer hyperinflammatrischen Zytokinreaktion der Makrophagen. Menschen mit einer genetischbedingten erhöhten Entzündungsbereitschaft sind besonders stark betroffen [1]. Beim partikulären Debris phagozytieren Makrophagen die eingelagerten Titanoxidpartikel [2].
Entzündungsbotenstoffe
Dabei werden das entzündungsfördernde Interleukin-1 und TNF-α ausgeschüttet. Das Ausmaß der Zytokinfreisetzung und der damit verbundenen Immunantwort hängt von genetischen Polymorphismen des proentzündlichen IL-1 und TNF-α und des antientzündlichen IL-1RN ab [2]. Um auf Titansensibilität zu testen, werden Blutzellen mit Titanpartikeln stimuliert und anschließend die Menge gebildeter Entzündungsbotenstoffe bestimmt [3]. Benötigt werden 10 ml Heparinblut [2]. Ein positiver Titanstimulationstest erhöht das Risiko für dentalen Titanimplantatverlust um das Zwölffache [2]. Eine hochverträgliche Alternative zu Titanimplantaten sind metallfreie Voll-Keramikimplantate [3].
1.5. Verdachtsfall: Genetische Neigung zu Entzündungen –
Zytokin-Polymorphismus
Funktionell relevante Polymorphismen der Titan-assoziierten Entzündungen treten in den Genen der Zytokine IL-1, IL-1RN und TNF-α auf. Mit Parodontopathien sind zusätzlich Polymorphismen der für IL-6 und IL-10 kodierenden Gene assoziiert [2]. Diese gelten als genetische Risikofaktoren in Bezug auf Veranlagung einer erhöhten Entzündungsreaktion [1]. Der genetische Entzündungsgrad steigt von Grad 0 bis Grad 4 in Abhängigkeit der Anzahl vorliegender Polymorphismen. Als High-Responder mit erhöhtem Risiko für dentales Entzündungsgeschehen gelten Patienten mit Grad 3 und 4. Der genetische Nachweis kann präventiv genutzt werden, da es sich bei den Polymorphismen um angeborene Prädispositionsfaktoren handelt, die ohne Allergenkontakt nachweisbar sind. Für den Nachweis werden 2 ml EDTA-Blut oder 2 Mundschleimhautabstriche benötigt [2].
1.6. Verdachtsfall: Schwermetallbelastung durch Zahnersatz oder Zahnmaterial – Multielementanalyse (MEA)
Die Zahnmetalle Gold, Nickel, Palladium, Silber und Platin weisen eine chronische und niedrigdosierte Toxizität auf. Beim Kauen werden die Metalle durch Abrieb im Speichel gelöst und über die Mundschleimhaut absorbiert. Dort binden die positiv-geladenen Metallionen die Sulfhydryl-Gruppen körpereigener Proteine und Zellmembranen.
Dadurch können wichtige Schaltstellen in Neurotransmittern, Mitochondrien und Enzymen blockiert werden. Besonders hoch ist die Affinität der Ionen zum Hämoglobin der Erythrozyten, weshalb die ionisierten Metalle über den Blutweg transportiert werden können. Auch eine Metallbelastung weit unterhalb des toxischen Schwellenwertes kann individuell schlecht vertragen werden, zu einer graduellen Veränderung des Immunsystems führen und unklare Krankheitsbilder erzeugen. Die immunologische Wirkung von Zahnmetallen wird mit dem LTT dargestellt [3]. Um mögliche toxisch-blockierende Effekte festzustellen, wird eine Multielementanalyse (MEA) durchgeführt [2].
Testung durch Mundspeichel
Um Korrosionen nachzuweisen wird Morgenspeichel genutzt, da sich nachts aufgrund des verminderten Speichelflusses freigesetzte Ionen anreichern. Der Kaugummispeichel dient dem Nachweis von mechanischem Abrieb [2]. Nach intensivem Kauen können mit diesem Test im Speichel erhöhte Konzentrationen von Quecksilber, Palladium, Gold und Silber nachgewiesen werden [3]. Auch eine Kombination beider Tests ist möglich, da meisten lediglich die Gesamtmetallbelastung von Bedeutung ist. Zur Testung werden 3 – 5 ml Speichel benötigt. Eine systemische Aufnahme der freigesetzten Metalle ist ebenfalls mittels MEA im Morgenurin oder EDTA-Blut messbar [2].
1.7. Verdachtsfall: Toxische Belastung durch wurzelgefüllte oder tote Zähne –
Orotox-Test
Der Orotox-Test weist die Produktion von den Zahntoxinen Tioether und Mercaptan in wurzelgefüllten Zähnen nach und zeigt damit potenzielle Entzündungsherde an. Diese Schwefelwasserstoffverbindungen können Nerven schädigen und lebenswichtige Enzyme blockieren, weshalb Toxin-produzierende Zähne unter Berücksichtigung der systemischen Gesundheit gezogen werden sollten [3].
Die Zahnfleischtaschen sind schlecht erreichbar durch Antibiotika oder lokale Desinfektionsmittel und stellen ein konstantes Reservoir für bakterielle systemische Erkrankungen dar, sofern die betroffenen Zähne nicht behandelt werden [5]. Da auch röntgenologisch unauffällige wurzelgefüllte Zähne biochemisch auffällig sein können, ist der Orotox-Test zur Feststellung lokaler Zahngifte nötig [3].
1.8. Mercaptan/Thioether
Die Toxine haben ebenfalls eine immunologische Wirkung durch die Stimulation der Antwort der körpereigenen Immunabwehr auf bestimmte Boten- und Signalstoffe. Folgen können Entzündungsreaktionen oder die Blockade der Abwehrfunktionen sein [3]. Dabei gibt es keine direkte Korrelation von Toxindosis und Stärke der Immunreaktion [2].
Durch einen Zytokin-Freisetzungstest wird diese Sensibilisierung und systemische Belastung durch die Eiweißzerfallsprodukte festgestellt. Eine Hyperaktivität des Immunsystem führt zu entzündlichen Erkrankungen wie Rheuma oder bestimmte Allergien. Zu geringe Aktivität hingegen bezweckt degenerative Erkrankungen wie zum Beispiel Tumore. Beim LTT-Mercaptan-Test wird die Hyperaktivität durch Interferon Gamma (IFnG) repräsentiert und die Unteraktivität durch Interleukin 10 (IL10).
Eine Stimulation von IFnG im Test impliziert die Notwendigkeit einer Therapie entzündlicher Krankheiten. Wird die Stimulation von IL10 gezeigt, empfiehlt sich die Therapie degenerativer Krankheiten [3].
1.9. Verdachtsfall: Mitochondropathie, oxidativer und nitrosativer Stress –
ATP, Nitrotyrosin, MDA-LDL
Eine Metallbelastung kann oxidativen Stress auslösen. Die entstehenden freien Radikale entfalten ihre zytotoxische und mutagene Wirkung, indem sie unteranderem die DNA und zelluläre Strukturen angreifen. Der oxidative Stress kann mittels des Malondialdehyd-modifizierten LDLs (MDA-LDL) im Serum quantifiziert werden. Malondialdehyd entsteht als Oxidationsprodukt, wenn freie Radikale die Lipide der Zellmembranen angreifen [2]. MDA-LDL stellt die durch Lipidperoxidation oxidierte Form des LDL-Cholesterins dar [12].
Die MDA-LDL Konzentration im Serum lässt Aussagen über die längerfristigen oxidativen Belastungen zu. Bei andauerndem oxidativem Stress entsteht unteranderem auch das hochreaktive Peroxynitrit, das mit Tyrosin zu Nitrotyrosin reagiert (= nitrosativer Stress). Nitrotyrosin kann als Marker im Blut nachgewiesen werden [2]. Die erhöhte Anzahl freier Radikale ist ein wichtiger Parameter der Umweltmedizin für durch chronische Entzündungsreize verursachten körperlichen Stress [1].
Analyse ATP
Eine Messung von Adenosintriphosphat (ATP) in den Zellen überprüft das Vorhandensein anaerober Bakterien. Als universelle Energiequelle ist ATP in jeder Körperzelle vorhanden. Es ist an Prozessen wie der Durchblutungsregulation und Vermittlung von Entzündungsreaktionen beteiligt. Die ATP-Konzentration im Körper wird durch anabolische und katabolische Reaktionen streng reguliert. Wenn diese biochemischen Reaktionen durch toxische Enzymblockaden unterbrochen werden, wird nicht genügend ATP bereitgestellt und der Zellstoffwechsel läuft nicht korrekt ab. Zu diesen giftigen Verbindungen gehören unteranderem Hydrogen-Sulfid und Methyl Mercaptan, welche von im wurzelgefüllten Zahn eingeschlossenen Bakterien produziert werden. Durch eine Blockade der Enzyme innerhalb der Mitochondrien hemmen diese die ATP-Produktion. Die intrazelluläre ATP-Konzentration wird in heparinisiertem Venen-Blut gemessen.
Verminderte ATP-Produktion können bei Chronic Fatigue Syndrom, zellulärer Hypoxie, aktiver EBV-Infektion, Fibromyalgien, Stress und chronisch degenerativ-entzündlichen Prozesse auftreten. Die Messung der intrazellulären ATP-Konzentration gibt Hinweis darauf, ob die Toxine aus Wurzelfüllungen oder NICO/Kieferostitis den Energiefluss und damit die Regeneration des Körpers systemisch blockieren [3]. Der ATP-Spiegel innerhalb der Leukozyten zeigt sensitiv an, ob eine Mitochondriopathie vorliegt [12].
1.10. Verdachtsfall: Parodontitis – aMMP8 (Gewebe-abbauende Matrixmetalloproteinase 8)
Die Parodontitis ist eine durch Bakterien ausgelöste Entzündung des Zahnhalteapparats, während die Periimplantitis Entzündungen rund um ein eingesetztes Implantat beschreibt. Inzwischen ist jedoch bekannt, dass es sich dabei nicht um ein rein mikrobiologisches Problem handelt, sondern entscheidend ist die individuelle Immunantwort.
Progrediente Parodontitiden beruhen meist auf der übersteigerten Entzündungsreaktion von High-Respondern. Eine verminderte Erregerabwehr durch Immundefekte kann ebenfalls zu persistierenden Entzündungen führen. Während bei High-Respondern eine immunsupressive Therapie nötig ist, sollten bei verminderter Immunabwehr Maßnahmen getroffen werden, welche das Immunsystem unterstützen [2]. Durch den Biofilm werden Makrophagen aktiviert, die Zytokine sezernieren.
Analyse Zytokine
Diese wiederum aktivieren Osteoklasten, was zu einer erhöhten Alveolarknochenresorption führt. Außerdem fördern sie die Freisetzung der Gewebe-abbauenden Matrixmetalloproteinase 8 (aMMP8) durch Granulozyten, wodurch die Kollagenolyse gesteigert wird. Eine hyperaktive Entzündungsantwort wird im Normalfall durch antientzündliche Zytokine verhindert. Bei ca. 15 % der Bevölkerung ist die Genexpression der proentzündlichen Zytokine jedoch stärker als die der Antientzündlichen. Liegt eine chronische Parodontitis vor, sollte zunächst der genetische Entzündungsgrad bestimmt werden. Neben einer lokalen manuellen Therapie sollte bei erhöhter genetischer Entzündungsneigung eine antientzündliche Begleittherapie begonnen werden. Kürzere Prophylaxeintervalle sind zu empfehlen, sowie ein Verzicht auf Nikotin [2].
1.11. MBL (Mannose bindendes Lektin), IgA, Phagozytosekapazität
Eine verminderte Schleimhautabwehr wird über MBL, IgA und die Phagozytosekapazität nachgewiesen [1]. Das Mannose-bindende Lektin (MBL) besitzt eine hohe Affinität Mannose-haltige Kohlenhydrate auf Bakterien- und Pilzoberflächen und spielt eine Rolle in der unspezifischen Immunabwehr. Durch Bindung von MBL an parodontopathogene Bakterien wird deren Phagozytose unterstützt.
Ein MBL-Mangel tritt bei ca. 2 – 5 % der Bevölkerung auf. In seltenen Fällen kommt es auch zu einer verminderten Phagozytosekapazität aufgrund von Granulozytendefekten, die zum Beispiel durch Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes auftreten können. Für die Bestimmung von MBL und IgA werden 10 ml Serum benötigt und die Granulozytenfunktion wird in 10 ml Heparinblut getestet [2].
1.12. Markerkeime
Ob eine antibiotische Begleittherapie notwendig ist, wird anhand von Parodontitis-assoziierten Markerkeimen festgestellt. Durch den geringen Sauerstoffgehalt in den Parodontaltaschen wird das Wachstum anaerober Bakterien gefördert und das körpereigene Mikrobiom gestört [2]. In den meisten Fällen sind jedoch keine äußerst aggressiven Bakterien vorhanden und eine Behandlung ohne Antibiotika ist möglich [1]. Mit Papierstreifen erfolgt die Probenentnahme aus den Zahntaschen [2].
1.13.Verdachtsfall: Silent inflammation
TNF-α (Tumor Nekrose Faktor-α), IP10 (interferon-gamma induced protein 10 kD), Histamin
Zum Nachweis chronisch getriggerter Entzündungen können TNF-α (Tumor Nekrose Faktor-α), IP10 (interferon-gamma induced protein 10 kD) und Histamin als Marker genutzt werden [1].
TNF-α als proentzündliches Schlüsselzytokin wird in den meisten Entzündungsreaktion zuerst freigesetzt. Es aktiviert verschiedene Immunzellen und regt zum Beispiel auch die Ausschüttung von IFN-γ an [2]. Es wird am Beginn der NFkB-assoziierten Entzündungskaskade von Makrophagen sezerniert und das sensitivste Markerzytokin für die myelomonozytäre Entzündung [12]. IP10 wird hauptsächlich nach Kontakt von Monozyten und Makrophagen mit IFN-γ produziert. Deshalb ist es geeignet, um die T zellulär-induzierte Immunaktivierung zu bestimmen. Die höhere Stabilität und Konzentration im Blut lassen genauere Messungen zu als die Interferone selbst [2].
Es dient also als Biomarker zur Quantifizierung der biologischen Aktivität des IFN-γ und der TH1-zellulären Immunaktivierung [12]. Getestet wird in 1 ml Serum. Der vasoaktive Mediator Histamin wird bei allergischen Erkrankungen und Pseudoallergien von aktivierten Mastzellen ausgeschüttet. Auch über die Nahrung wird Histamin aufgenommen [2]. Durch vier verschiedene Rezeptortypen wirkt es auf diverse Organe und stimuliert zahlreiche Entzündungsphänomene. Aufgrund der geringen Stabilität im Serum wird in Heparin-Vollblut auf diese Mastzell-assoziierte Entzündung getestet [12].
2.0. Entzündungen, silent inflammation, FDOK, FDOJ, NICO des Kiefers
Was ist eine FDOK?
2.1. Definitionen und Grundlagen
In der Literatur wird der moderne Begriff der stillen Entzündungen im Knochen oft als avaskuläre Osteonekrose oder aseptische ischämische Osteonekrose (des Kieferknochens) (AIO(J)) bezeichnet. Eine AIO kann idiopathisch oder posttraumatisch (nach Wurzelkanalbehandlung, Weisheitszahnentfernung) sein. Die intravaskuläre Coagulation ist wichtig in der Pathogenese der Osteonekrose, aber die Gründe für Osteonekrosen können vielfältig sein und sind nicht vollständig bekannt.
Nach einer Zahnextraktion werden akute Infektionen wie eine alveoläre Ostitis mit Antibiotika behandelt. Bei jeder Extraktion besteht jedoch die Möglichkeit, dass Rückstände hinterbleiben oder der Knochen nicht ordentlich gereinigt wurde, was zu chronischen Infektionen führen kann. In der alltäglichen Zahnmedizin wird akute Infektion vor die Chronische gestellt. Die Hypothese von Dr. Johann Lechner ist, dass die Verbesserung einer akuten Infektion in Zahnextraktionsregion der Beginn einer chronischer Infektion sein könnte. Bei bestimmten Risikofaktoren könnte sich daraus eine systemische Erkrankung entwickeln [10].
Aseptische ischämische Osteonekrose (AIO)
Die aseptische ischämische Osteonekrose ist ein Knochenmarkdefekt und der Überbegriff für das Absterben von Knochenzellen aufgrund von Blutminderversorgung in Abwesenheit einer Infektion [8, 9]. Bilden sich dabei während eines chronischen Entzündungsprozesses durch den Abbau der Kieferknochenzellen fettige Hohlräume mit totem oder absterbendem Knochenmark, handelt es sich um eine fettig-degenerative Osteonekrose des Kieferknochens (FDOK) oder auch Kieferostitis. Diese können jahrelang symptomfrei bleiben und als stille Entzündungen schmerzfrei verlaufen (im Gegensatz zu akuter/chronischer Osteomyelitis) [9, 10]. Die Osteoimmunologie befasst sich mit der Kommunikation zwischen Knochen- und Immunzellen, die beide aus dem Knochenmark stammen.
Das könnte der Grund für die Verbindung von FDOK und Immunsystem sein [10]. Äußert sich diese FDOK in unspezifischen Gesichtsschmerzen, so wird sie als Neuralgie induzierende hohlraumbildende Osteonekrose (Neuralgia Inducing Cavitational Osteonecrosis = NICO) bezeichnet [9]. Dieser Begriff wurde in den 1990er Jahren von Bouquot geprägt [11]. Es ist der am häufigsten genutzte Term für Ossifikationsdefekte im Knochenmark der Kieferknochen, was jedoch kontrovers ist, da häufig keine Schmerzsymptomatik vorhanden ist. NICO ist ein Spezialfall der FDOK, aber kein unabhängiges klinisches Bild und ist nicht in der ICD-10 (10. Version der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme) gelistet. AIOJ hingegen schon, weshalb es Teil der ICD-10 ist [10]. In ICD-10 „idiopatisch aseptische Osteonekrose“ mit Inklusion von „avaskulärer Osteonekrose“ wird in Literatur als „aseptisch avaskuläre Osteonekrose“ zusammengefasst [11].
Dr. Lechner schlägt den neuen Begriff „Rantes Inducing Cavitational Osteonecrosis“ (RICO) vor, für eine FDOK ohne Schmerzsymptome [10].
2.2. Diagnose
FDOKs sind von einer klassischen Osteomyelitis zu unterscheiden und stellen eine Sonderform der Kieferknochen-Osteopathie dar. Oft lösen sie unspezifische Gesichtsschmerzen aus und haben durch einhergehende silent inflammations systemische Auswirkungen [1, 7]. Die Verbindung zwischen Kieferknochenkavitationen, also hohlen, toten Räumen mit abgestorbenem Knochenmark und chronischen Krankheiten wird in der konventionellen Zahnmedizin oft vernachlässigt [6].
Die auftretenden unspezifischen Symptome und Begleiterscheinungen scheinen meist nicht mit einer Kieferostitis, FDOK bzw. NICO im Zusammenhang zu stehen. Dabei gehören beispielweise muskoskelettale Schmerzen, chronische Müdigkeit, Verdauungsprobleme und Allergien zu den häufigen Beschwerden [1]. Ein chirurgisches Débridement verbessert die immunologischen Beschwerden, aber der Ursache-Wirkungs-Zusammenhang ist bislang wenig erforscht [6]. Auch wenn die Ursache der NICO nicht eindeutig geklärt ist, ist jedoch bekannt, dass degenerative Prozesse durch unausgewogene Ernährung, Nährstoffdefizite und schlechte anaerobe Bakterienflora im Mundraum begünstigt werden. Deswegen ist ein ganzheitlicher Ansatz zur Diagnose und Behandlung der Krankheit wichtig.
Blutuntersuchung beim Zahnarzt
Blutuntersuchungen und Sensibilitätstests geben Aufschluss auf die Ursache vorhandener Symptome. Nachgewiesen wird der Zerfall des Kieferknochens durch Messung der Knochendichte mittels Trans-alveolärem Ultraschall (TAU) und digitaler Volumentomographie (DVT). Das neu entwickelte CaviTAU®-Gerät lässt eine zuverlässige Diagnose einer FDOK (ggf. NICO) zu, ohne den Patienten dabei einer Strahlenbelastung auszusetzen [1]. Dies Methode ist patienten-orientiert, da eine informierte Einwilligung durch das Verständnis der Ergebnisse erleichtert wird.
Im Gegensatz zu einer standardmäßigen Röntgenaufnahme können Patienten die Bildgebung des CaviTAU® aufgrund der Farbgebung eigenständig verstehen. Digital kann die Knochenquantität durch DVT bestimmt werden, die Knochenqualität jedoch nicht. Durch das CaviTAU® kann das Risiko eines Implantatverlustes aufgrund unzureichender Knochendichte ermittelt werden. Ebenfalls kann es genutzt werden um den Erfolg der Therapie nach einer FDOK/NICO Operation zu überprüfen. Ein einheitlicher FDOK Bewertungsrahmen wird ermöglicht [8].
FDOK / NICO Diagnose durch OPG
Diagnose von chronisch-toxischen und chronisch-entzündlichen Belastungen aus wurzelgefüllten Zähnen und FDOK / FDOJ / NICO chronische Kieferostitis (nach Lechner):
Das Orthopantogramm (OPG) ist eine Panoramaschichtaufnahme für die zweidimensionale Übersichts-Diagnostik, die zur Planung von Zahnersatz benötigt wird. Dieses bildgebende Verfahren besitzt jedoch eine eingeschränkte Aussagekraft, da Unterkiefer-Nerv und Veränderungen an den Wurzelspitzen nicht korrekt beurteilt werden können. Entzündungsherde bleiben oft unerkannt.
Deshalb wird zusätzlich eine dreidimensionale Digitale Volumentomographie (DVT) durchgeführt. Diese lässt die Identifikation von Fremdkörpern, wie zum Beispiel Amalgam, zu. Der Zustand des Kieferknochens lässt sich jedoch auch mit dieser Technik nicht verlässlich beurteilen. Feststellen lassen sich die mit FDOK/NICO-assoziierten Knochenauflösungen durch Ultraschall-Messung (Cavitau®), ein modernes, bildgebendes Ultraschall-Verfahren. Durch die spezielle Knochendichtemessung können osteolytische Kieferbereiche eindeutig identifiziert und damit eine FDOK oder NICO bzw. Kieferostitis diagnostiziert werden. Die Indikation zum Eingriff erfolgt aus den summierten Ergebnissen von Anamnese, Röntgenbild-OPG und -DTV, lymphatisch-palpatorischem Befund und Ultraschall-Aufnahme.
2.3. RANTES (Regulated upon Activation, Normal T-cell Expressed, and Secreted/Regulierte und normale T-Zellen, die exprimiert und entfernt werden)
Ein Blutscreening wird genutzt um über den RANTES-Wert Entzündungsmarker, sowie Vitamin- und Mineralstoffhaushalt (Vitamin C, Vitamin D, Zink, Calcium, Magnesium, Omega-3-Fettsäuren) zu messen [1]. RANTES (auch CCL5 genannt) wird von zytotoxischen T-Lymphozyten und neutrophilen und eosinophilen Granulozyten produziert und anschließend an die Aktivierung sezerniert. Als Chemokin bezweckt es die Akkumulierung von NK-Zellen, Granulozyten, Monozyten und Makrophagen in dem Entzündungsgebiet über Bindung an ihre Oberflächenrezeptoren. Gemeinsam mit Interleukin-2 (IL-2) und Interferon-gamma (IFN-γ) aktiviert es die NK-Zellen und stimuliert ihre Proliferation. RANTES ist an vielen entzündlichen Prozessen beteiligt und ein erhöhter Spiegel tritt bei verschiedensten Systemerkrankungen wie Allergien oder Multipler Sklerose auf. Da TNF-α, IP-10 und IL-6 sensitivere Marker sind, hat es als Labormarker beim Nachweis systemischer Entzündungen geringe Relevanz [2].
Dieser Signalweg spielt also in allen schweren immunologischen Krankheiten eine Rolle, wurde aber von der Dentalmedizin bisher weitgehend ignoriert. Die Störung geschieht nicht durch NICO/FDOK an sich, sondern durch den gestörten RANTES/CCL5 Signalweg aufgrund der fettigen Degeneration des Kieferknochens durch aseptischer Osteolyse [10].
RANTES als wichtiger Indikator für FDOK oder NICO
Das Chemokin, welches über Blutbahnen, Lymphsystem und Nervenbahnen im Körper verteilt wird, steht im Zusammenhang mit der chronisch fettig-degenerativen Osteolyse in seltenen Fällen Osteonekrose [1]. Diese FDOK geht mit einer RANTES/CCL5 Überexpression einher [8]. Der RANTES-Wert in diesen Geweben ist besonders hoch, während die Markerzytokine einer akuten Entzündung (wie IL-1β oder IL-6) kaum detektierbar sind. Als systemischer Entzündungsmarker gibt RANTES lediglich Hinweis auf eine mögliche vorhandene FDOK/ Basophilen-Degranulationstest bzw. NICO. Parallel sollten jedoch ebenfalls andere Entzündungsmediatoren (wie hsCRP und TNF-α) bestimmt werden und besonders wenn diese unauffällig sind, ist eine FDOK / FDOJ / NICO wahrscheinlich. Die Studien von Dr. Johann Lechner sind von großer Bedeutung für diese Thematik und zielen aktuell darauf ab, die Bedeutung von RANTES für die systemische Fernwirkung einer FDOK / FDOJ / NICO zu untersuchen [2].
Dies ist besonders wichtig bei der Erkennung sogenannter silent inflammations, da diese keine Schmerzen verursachen und vom Patienten deshalb unbemerkt bleiben. Trotzdem können sie Auslöser chronischer Krankheiten sein. Mit einem hohen RANTES-Wert steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass weitere Entzündungserkrankungen vorliegen [4]. Die Identifikation einer FDOK als lokale RANTES-Quelle, kann zur Ursachenfindung systemischer Erkrankungen genutzt werden [8].
RANTES ermitteln
Auch Fettzellen bilden in geringem Maß Entzündungsbotenstoffe [7]. RANTES und FGF-2 (Fibroblast Growth Factor) wurden in hohen Konzentrationen in NICO-Proben festgestellt, andere Cytokine jedoch nicht in übermäßigen Mengen. Dementsprechend lässt sich feststellen, dass NICO entzündliche Botenstoffe produziert (vor allem RANTES, in zweiter Linie FGF-2). Diese werden mit vielen schweren Krankheiten in Verbindung gebracht (amyotrophe Lateralsklerose, Multiple Sklerose, rheumatoide Arthritis, Brustkrebs) [6].
RANTES wird in der Synovia sekretiert und trägt zu rheumatoider Arthritis bei [7]. Dr. Lechner nutz den Begriff der „Rheumatic Arthritis Inducing Cavitational Osteonecrosis“ (RAICO) [10]. Durch die Rekrutierung von Immunzellen verstärkt es auch Entzündungsprozesse, wie atopische Dermatitis, Nephritis und Colitis [8]. Bei Multipler Sklerose ist die RANTES-Expression im gesamten zentralen Nervensystem erhöht und eine erhöhte RANTES-Konzentration in den Gehirn-Läsionen und der Cerebrospinalflüssigkeit ist vorzufinden [7]. Durch den Angriff des zentralen Nervensystems bewirkt es auch Parkinson. RANTES beeinflusst Nervenbahnen, da es die Opioidrezeptoren blockiert und Schmerzen so verstärkt [8]. Die Bildung von Metastasen bei Brustkrebs wird ebenfalls durch RANTES gefördert [7].
RANTES und FDOK
Dies bezeichnet Lechner als “Cancer Inducing Cavitational Osteonecrosis” (CICO), wenn eine FDOK die RANTES-Quelle darstellt [10]. Über die Aktivierung von Basophilen verursacht es die Freisetzung von Histamin und es ist ein Aktivator des oxidativen Stoffwechsels von Eosinophilen. Damit ist RANTES auch an Asthma und Allergien beteiligt [7]. Generell verursacht ein erhöhter RANTES über Mastozyten Allergien, Alopecia und Fehlfunktionen der Schilddrüse [8]. Das bei einer FDOK freigesetzte RANTES kann auch zu Depressionen beitragen. Dann wird die Krankheit „Depression Inducing Cavitational Osteonecrosis“ (DICO) genannt [10].
FGF-2 ist ein Wachstumsfaktor, der die Angiogenese fördert. Ein erhöhter FGF-2 Wert trägt zu rheumatoiden Gelenkbeschwerden, Bindegewebstumoren und verschiedensten Gefäßerkrankungen bei [7]. Die Werte der Entzündungsmarker bei NICO sind höher als im Serum/Liquor bei amyotropher Lateralsklerose und Multipler Sklerose und viermal höher als in Brustkrebsgewebe.
NICO ist folglich also eine wichtige Ursache für inflammatorische Krankheiten und die Beseitigung von NICO könnte die Lösung für Umkehrung dieser Krankheiten sein [6]. Auch IL1-ra (Interleukin 1 Rezeptor Antagonist) wurde bei NICO in erhöhter Konzentration festgestellt. Dieser antiinflammatorische Immunmediator erklärt, weshalb NICO keine typischen Entzündungszeichen zeigt. Die proentzündlichen Akutzytokine IL1 und TNF-α hingegen sind nicht erhöht [7].
2.4. Zusammenhang von RANTES/CCL5 und Insulin
Die Betazellen der Langerhans-Inseln im menschlichen Pankreas sind für die Produktion und Freisetzung von Insulin zuständig. RANTES/CCL5 kann die autoimmune Zerstörung von Betazellen bei Typ-1-Diabetes durch die Rekrutierung von Lymphozyten und Cytokinsekretion stimulieren. Die Alpha- und Betazellen der Inselzellen exprimieren CCL5 und seinen Rezeptor GPR75. Die Chemokinrezeptoren CCR1, -3 und -5 sind in den Inselzellen gesunder Personen (ohne Diabetes) kaum vorhanden, was darauf deutet, dass sie für die Inselphysiologie keine große Bedeutung haben und endogenes/zirkulierendes CCL5 durch die Aktivierung von GPR75 die Inselfunktion in einer nicht-immunen Umgebung reguliert. CCL5 beeinflusst also die normale Betazellfunktion über GPR75.
Durch exogene Verabreichung von CCL5 kommt es zu einem Ca2+ Einstrom über GPR75 in die Betazellen. Dadurch wird die Insulinsekretion in vivo (bei schlanken und insulinresistenten (Typ-2-Diabetes) Mäusen) und in vitro kurzfristig erhöht und die Glukosetoleranz in vivo verbessert, ohne sich auf die Insulinempfindlichkeit auszuwirken [13]. Auch Glukose bezweckt einen Ca2+ Einstrom in Betazellen und damit eine Insulinfreisetzung.
Der CCL5 Rezeptor CCR5 wird stark in Neuronen des hypothalamischen Nucleus arcuatus exprimiert und ist mit dem Insulinrezeptor für Insulinsignalregulation assoziiert.
Insulin als wichtiger Indikator
Durch die Aktivierung von CCR5 wird die GLUT4 Membrantranslokation induziert, was für die Glukoseaufnahme benötigt wird. Die Negativregulation des Insulinsignals, welche dessen Weiterleitung verhindert, wird dadurch ebenfalls blockiert. Die CCR5-CCL5-Aktivierung stimuliert das Insulinsignal in hypothalamischen Neuronen und trägt zur systemischen Insulinempfindlichkeit bei. Wird CCR5 im Hypothalamus blockiert, wird die Weiterleitung des Insulinsignals gestört, was zu peripherer Glukoseintoleranz (zu hoher Blutzuckerspiegel, Vorstufe Diabetes) und Insulinresistenz führt [14].
Quellen
[1] Viva Dental GmbH (2021). Ganzheitliche Zahnarztpraxis Düsseldorf. https://viva-dental.de/ [Letzter Aufruf am 18.11.2022].
[2] von Baehr, V., Schütt, S. & Scott, N. (2022). IMD Labor Berlin. https://www.imd-berlin.de/ [Letzter Aufruf am 23.11.2022].
[3] Lechner, J. (2021). Teste systemischer und zahnmedizinischer Störfelder, Information und Aufklärung Mappe 1. https://www.dr-lechner.de/assets/Infomappen/FB-Infomappe-1-Stoerfelddiagnose.pdf [Letzter Aufruf am 16.11.2022].
[4] Lechner, J. (2022). Individualisierte Zahnmedizin. https://www.dr-lechner.de/ [Letzter Aufruf am 23.11.2022].
[5] Digital Dental & Healthcare Technology GmbH & Co. KG (2020). OroTox®. https://www.orotox.de/wissenschaftliche-grundlagen/ [Letzter Aufruf am 18.11.2022].
[6] Lechner, J., & von Baehr, V. (2013). RANTES and fibroblast growth factor 2 in jawbone cavitations: triggers for systemic disease?. International journal of general medicine, 6, 277–290. https://doi.org/10.2147/IJGM.S43852
[7] Lechner, J. (2022). NICO – Immunmediatoren und Systementgleisungen. https://www.deguz.de/de/fuer-fachkreise/nico/ [Letzter Aufruf am 21.11.2022].
[8] Lechner Slides
[9] Schneider, G. (2020). Praxisklinik Dr. Schneider & Kollegen. https://www.zahnarzt-lehrte.de/ [Letzter Aufruf am 21.11.2022].
[10] Lechner, J. (2022). Cavitational Osteonecrosis in Jawbone – From neglected local inflammation to endangering systemic diseases (2. Aufl). Furth bei Landshut: MDV Maristen Druck & Verlag GmbH.
[11] Lechner, J., Schuett, S., & von Baehr, V. (2017). Aseptic-avascular osteonecrosis: local „silent inflammation“ in the jawbone and RANTES/CCL5 overexpression. Clinical, cosmetic and investigational dentistry, 9, 99–109. https://doi.org/10.2147/CCIDE.S149545
[12] von Baehr, V., Schütt, S. & Scott, N. (2022). Diagnostikinformation Nr. 279: Labordiagnostik bei chronisch entzündlichen Multisystemerkrankungen. https://www.imd-berlin.de/fileadmin/user_upload/Diag_Info/279_Multisystemerkrankungen_Laborprofil.pdf [Letzter Aufruf am 24.11.2022].
[13] Liu, B., Hassan, Z., Amisten, S., King, A. J., Bowe, J. E., Huang, G. C., Jones, P. M., & Persaud, S. J. (2013). The novel chemokine receptor, G-protein-coupled receptor 75, is expressed by islets and is coupled to stimulation of insulin secretion and improved glucose homeostasis. Diabetologia, 56(11), 2467–2476. https://doi.org/10.1007/s00125-013-3022-x
[14] Chou, S. Y., Ajoy, R., Changou, C. A., Hsieh, Y. T., Wang, Y. K., & Hoffer, B. (2016). CCL5/RANTES contributes to hypothalamic insulin signaling for systemic insulin responsiveness through CCR5. Scientific reports, 6, 37659. https://doi.org/10.1038/srep37659